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Studie: Jährlich müssen 4 Millionen Haushalte mit Glasfaser erschlossen werden

Studie: Jährlich müssen 4 Millionen Haushalte mit Glasfaser erschlossen werden

Donnerstag, 07.11.2024
Es sieht schlecht aus fürs Regierungsziel "Glasfaser für alle" bis 2030, hat eine Analyse für den Verband Anga ergeben. Die Ansprüche von Power-Nutzern steigen.
 
Die Bundesregierung peilt mir ihrer Gigabitstrategie "Glasfaser für alle" bis 2030 an. Dieses Ziel wird sich laut einer Marktstudie, die der Breitbandverband Anga anlässlich der Feier seines 50-jährigen Bestehens am Donnerstag herausgegeben hat, aber voraussichtlich mindestens um vier Jahre nach hinten verschieben.
 
Dies gilt selbst dann, wenn man als Maßstab nicht den eigentlich gewünschten tatsächlichen Anschluss ans Glasfasernetz heranzieht, sondern "Homes Passed": Damit gilt ein Haushalt auch dann als "versorgt", wenn die Glasfaser nicht bis in die Wohnung oder das Haus gelegt wird, die Immobilie aber zumindest in einem erschlossenen Gebiet liegt. Ein Hausanschluss fehlt dann noch. Damit sei niemandem geholfen, betonen Branchenvertreter. "Man rechnet sich mit 'Homes Passed' Deutschland schön", sagt Netcologne-CEO Timo von Lepel.
 
2023 lag der Anteil der mit Glasfaser erschlossenen Haushalte zwischen 37 und 40 Prozent auf Basis von Homes Passed. Um das Ziel einer vollständigen Versorgung bis 2030 zu erreichen, müssten in sieben Jahren rund 28 Millionen Haushalte hinzukommen, rechnet das mit der Analyse beauftragte Beratungshaus Goldmedia vor. Im Schnitt wären das 4 Millionen pro Jahr. Diese Zahl erscheine zwar nicht unerreichbar. Ausbauende Unternehmen hätten zuletzt aber bereits ein verlangsamtes Wachstum und eine Verfehlung des 100-Prozent-Ziels prognostiziert.
 
Glasfaserausbau auf dem Land wird schwieriger
Die Forscher führen mit Fokus auf die noch zu erschließenden Wohngebäude aus: Diese befänden sich zu 60 Prozent im halbstädtischen oder ländlichen Raum. Die Erschließung eines Haushalts auf dem Land sei im Schnitt aufwändiger als in der Stadt, weil die damit verbundenen Tiefbauarbeiten deutlich größere Strecken umfassten. Um 1000 neue Homes Passed zu erreichen, seien auf dem Land mit rund 700 Wohngebäuden mehr als doppelt so viele zu erschließen wie im urbanen Raum.
 
Weiter geht Goldmedia davon aus, dass die bisherige Erschließung von 40 Prozent der Haushalte mit FTTB/H-Ausbau durch überproportional mit Mehrfamilienhäusern ausgestattete Städte und Speckgürtel gelungen sei. Für die Regierungsvorgabe seien daher in Summe noch 13,4 Millionen von insgesamt 19,6 Millionen Wohngebäuden zu erschließen. Dabei handle es sich um 68 Prozent aller Wohngebäude beziehungsweise rund die Hälfte der Mehrfamilienhäuser sowie 72 Prozent der Ein- und Zweifamilienhäuser.
 
Bis 2030 wären so pro Jahr mindestens 1,9 Millionen weitere Wohngebäude zu erschließen, schreiben die Autoren. In den vergangenen drei Jahren habe das durchschnittliche Plus aber nur bei 1,3 Millionen Wohngebäuden jährlich gelegen. "Diesem Wachstumspfad folgend ist eine Verfehlung des 2030-Ziels zu erwarten", konstatieren die Verfasser. "Eine vollständige Versorgung wird frühestens 2034 erreicht." Dabei handele es sich aber um ein optimistisches Szenario: Viele Netzbetreiber seien derzeit vor allem darauf aus, die Auslastung ihrer Leitungen mithilfe höherer Take-up-Raten ("Homes Activated") zu steigern.
 
Bandbreitenhunger wächst
Was Glasfaseranbietern in die Hände spielt: Die durchschnittliche Anschlussdatenlast wird bis 2030 um den Faktor 2,4 bis 3,7 ansteigen, schätzen die Experten. Für ersteres spreche das "Trendszenario", wonach sich die Datenmenge pro Anschluss mehr als verdoppeln werde und Power-Nutzer auf über 3 Terabyte Verkehrsvolumen pro Monat kämen. Schafften neue Technologien wie Virtual Reality (VR) oder Künstliche Intelligenz (KI) einen Durchbruch, wachse der durchschnittliche Datenverkehr pro Anschluss im "Potenzialszenario" deutlich stärker auf rund 1300 Gigabyte pro Monat. Großverbraucher kämen dann durchschnittlich auf einen monatlichen Traffic von etwa 5 Terabyte. Diese stark genutzten Anschlüsse generierten 2030 mit einem Volumen von 457 Milliarden Gigabyte pro Jahr rund 76 Prozent des Bandbreitenbedarfs.
 
53,7 Prozent der Datennutzung in Europa sei 2023 bereits auf Video entfallen, erläutert Goldmedia. Insbesondere ein zunehmender Anteil an Live-Streaming erhöhe das Verkehrsvolumen und erfordere hohe Bandbreitenreserven für eine stabile Übertragung. Zudem steigerten Gaming in der Cloud, Social Media und VR den Bandbreitenhunger. "Dabei können die Anschlussanforderungen aufstrebender vernetzter Anwendungen nicht mehr von bestehenden DSL-Anschlüssen abgebildet werden", ist der Studie zu entnehmen. "Dies wird mittelfristig die Nachfrage nach leistungsfähigen Gigabitanschlüssen und insbesondere Glasfaser stärken."
 
Knackpunkt Kupfernetz-Abschaltung
Aus der Analyse geht auch hervor: Vor allem in Gebieten, in denen nur ein Glasfasernetz wirtschaftlich tragfähig ist, stelle die wettbewerbsneutrale und diskriminierungsfreie Abschaltung der Kupfernetze der Deutschen Telekom einen weiteren wichtigen Impuls dar. Nur so könnten Wettbewerber bestehende regionale Vermarktungspotenziale für Glasfaseranschlüsse realisieren.
 
Es gibt laut der Studie für die Telekom aber kein wirtschaftliches Interesse, im Glasfaserausbaugebiet eines Herausforderers ihr Kupfernetz abzuschalten und auf dessen optisches Netz zu wechseln. Erst wenn die Kupfernetz-Auslastung unter 20 Prozent sinke, stellten Glasfasernetze der Konkurrenten eine wirtschaftliche Alternative dar. Solche Kundenabwanderungen seien beim Aufrechterhalten des DSL-Netzes nicht erwartbar. Aus Sicht der Telekom sei nur in Gebieten, in denen sie selbst Glasfasernetze errichte, eine möglichst frühzeitige Abschaltung von Kupferleitungen sinnvoll. Eine freiwillige diskriminierungsfreie Kupfer-Glas-Migration durch den Magenta-Konzern lasse sich so nicht erwarten.
 
Um zu verhindern, dass die Telekom den flächendeckenden Glasfaserausbau verhindert und vorhandene Gigabitnetze der Wettbewerber überbaut, fordert der Anga, "die Kupfer-Glas-Umschaltung wettbewerbsneutral" zu gestalten. Die Bundesnetzagentur müsse dafür unter Beteiligung aller Interessengruppen ein ganzheitliches Konzept entwickeln. Als Mindestanforderungen nennt der Anga etwa, dass die Telekom Anträge zur Abschaltung ihres Kupfernetzes gleichermaßen in ihren eigenen sowie in Glasfasernetzgebieten von Wettbewerbern stellen müsse. Endkunden sollten aus den verfügbaren Angeboten frei wählen können. Zudem müssten die Interessen von Konkurrenten, die einen Zugang über das Telekom-Netz nutzen wollen, gewahrt werden. Ähnliche Appelle richten auch die Branchenverbände VATM und Breko an den Regulierer und die Politik.
 
"Die Lücke zwischen 'Homes Passed' und 'Homes Connected' – besser noch 'Homes Activated' – müssen wir gemeinsam schließen", sagte Stefan Schnorr, Staatssekretär im Digitalministerium, im Rahmen der 50-Jahresfeier des Anga am Donnerstag in Berlin. "Die Politik kann dafür aber nur die Rahmenbedingungen setzen."
 
Die Branche drängt dabei zur Eile. "Es besteht dringender Handlungsbedarf", mahnte Anga-Präsident Thomas Braun am Donnerstagnachmittag in Berlin. "Die Zeit drängt." Von der Politik erwarten die Netzbetreiber nun schnell "klare Rahmenbedingungen", sagte Netcologne-CEO von Lepel. Angesichts des Scheiterns der Ampel-Koalition und der Krise der Bundesregierung befürchtet die Branche nun weitere Verzögerungen.
 
Den Link zur Pressemitteilung finden Sie hier.

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