Hier finden Kreise und Kommunen einen kompakten Überblick über die geltenden Rechtsnormen für den NGA-Ausbau mit öffentlicher Beteiligung. Der geltende europäische, verfassungsrechtliche und kommunalrechtliche Rahmen ist von den Kreisen und Kommunen einzuhalten.
In der Übersicht sind die gültigen Rechtsnormen überblicksartig dargestellt sowie wichtige Regeln und deren Ausnahmen hervorgehoben. Vertiefende Informationen und Erläuterungen sind über externe Links zu erreichen.
Die hier dargestellten Informationen dienen als Orientierung und geben einen ersten Überblick über die geltenden Rechtsnormen für die Planung und Durchführung von Breitbandprojekten. Kommunale NGA-Ausbauprojekte sollten in jedem Falle vor ihrer Durchführung detailliert rechtlich auf ihre Machbarkeit und Finanzierung geprüft werden.
Europäischer Rechtsrahmen
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Verfassungsrechtlicher Rahmen
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Kommunalrechtlicher Rahmen
Europäischer Rechtsrahmen
Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) normiert ein grundsätzliches Verbot staatlicher Beihilfen:
Art. 107 AEUVAbs. 1: Soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. |
Regelmäßig erfasst dieses Verbot auch kommunale Unterstützungsleistungen – gleich welcher Art – für lokale Breitbandausbauprojekte. Bei Verstößen gegen Art. 107 AEUV drohen Rückzahlungsforderungen durch die EU-Kommission. Das europäische Beihilfenrecht kennt jedoch Ausnahmen:
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Rahmenregelung der Bundesrepublik Deutschland zur Unterstützung des Aufbaus einer flächendeckenden Next Generation Access (NGA)-Breitbandversorgung (NGA-Rahmenregelung): Mit der NGA-Rahmenregelung existiert in Deutschland seit dem 15. Juni 2015 ein von der EU genehmigter beihilferechtlicher Rahmen für geförderte Breitbandprojekte, der auf den „Leitlinien der EU für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau (Breitbandleitlinien)“ aufbaut. Maßnahmen, die im Einklang mit den Bedingungen der Rahmenregelung stehen, sind beihilferechtlich als unbedenklich einzustufen und benötigen keine separate EU-Notifizierung. Die aktuell bis zum 31. Dezember 2021 befristete Regelung bildet den Rahmen für eine notifizierungsfreie Förderung des Breitbandausbaus, stellt selbst jedoch keine Mittel zur Verfügung.
De-minimis-Verordnung: Beihilfen für Unternehmen, die einen Betrag in Höhe von 200 000 EUR innerhalb von drei Jahren nicht überschreiten, sind von der Anwendung des Art. 107 AEUV ausgenommen. Bürgschaften sind bis zu einem Betrag in Höhe von 1,5 Mio EUR möglich.
Art. 52 AGVO: Mit der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) werden bestimmte staatliche Beihilfemaßnahmen, die einen spürbaren Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa leisten, als mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt und von der Notifizierungspflicht freigestellt. Nach Art. 52 AGVO sind Investionsbeihilfen für den Ausbau der Breitbandversorgung mit dem Binnenmarkt vereinbar und von der Notifizierungspflicht nach Artikel 108 Abs. 3 AEUV befreit, wenn die in Voraussetzungen des Art. 52 AGVO und die in Kapitel I der AGVO festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Die AGVO Beihilfe-Regelung ist deshalb für Kommunen relevant, welche NGA-Projekte komplett über eigene Haushaltsmittel umsetzen.
Private Investor Test: Eine Beihilfe liegt mangels Wettbewerbsverzerrung schon tatbestandlich nicht vor, wenn die öffentliche Hand wie ein privater Investor unter Marktbedingungen handelt. Dies kann u.a. bei Ausbaumaßnahmen von Stadtwerken zum Tragen kommen.
Maßgebliches Kriterium ist insoweit eine hinreichende Profitabilität des Projektes.
Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI) / Altmark Trans Rechtsprechung: Eine Beihilfe ist ferner zu verneinen, wenn mit dem gewährten Vorteil eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse kompensiert werden soll und hierbei die Kriterien der Altmark Trans Entscheidung des EuGH eingehalten werden.
Rechtfertigung nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV: Der Breitbandausbau kann als mit dem Binnenmarkt vereinbar anerkannt werden, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV erfüllt sind und die konkrete Maßnahme insgesamt verhältnismäßig ist. Zur Vereinfachung der Rechtsanwendung hat die Kommission in diesem Zusammenhang Breitbandleitlinien verabschiedet.
Verfassungsrechtlicher Rahmen
Der Telekommunikationssektor unterliegt einer besonderen verfassungsrechtlichen Ordnung:
Art. 87f GGAbs. 1: Nach Maßgabe eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen. Abs. 2: Dienstleistungen im Sinne des Absatzes 1 werden als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere private Anbieter erbracht. (…) |
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwiefern Kreise und Kommunen verfassungsrechtlich befugt sind, sich am Breitbandausbau zu beteiligen. Hierzu ist die konkrete Form der kommunalen Beteiligung zu betrachten:
Monetäre Zuwendungen der öffentlichen Hand an TK-Unternehmen sind, anders als im europäischen Recht, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Der Aufbau entsprechender Breitband-Infrastrukturen durch eine Kommune mittels Verlegung von Leerrohren mit oder ohne (unbeschalteten) Glasfaserkabeln wird ebenfalls nicht von Art. 87f GG erfasst.
Rechtlich schwieriger gestaltet sich die verfassungsrechtliche Beurteilung des kommunalen Betriebs von Telekommunikationslinien. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Auslegung des in Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG vorgeschriebenen Prinzips der Privatwirtschaftlichkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei Entscheidungen jedenfalls keine Bedenken gegen die kommunale Betätigung als TK-Unternehmer vorgebracht.
Kommunalrechtlicher Rahmen
107 GO NRW(1) Die Gemeinde darf sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben wirtschaftlich betätigen, wenn
Das Betreiben eines Telekommunikationsnetzes umfasst nicht den Vertrieb und/oder die Installation von Endgeräten von Telekommunikationsanlagen. Als wirtschaftliche Betätigung ist der Betrieb von Unternehmen zu verstehen, die als Hersteller, Anbieter oder Verteiler von Gütern oder Dienstleistungen am Markt tätig werden, sofern die Leistung ihrer Art nach auch von einem Privaten mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden könnte. (...) |
Adressat dieser Vorschrift ist zunächst nur die Kommune, über § 53 Abs. 1 Kreisordnung NRW wird jedoch auch der Kreis in das Regelungsregime des öffentlichen Wirtschaftsrecht einbezogen. Kommunen und Kreise unterliegen damit der sog. Schrankentrias, bestehend aus:
Bau und Betrieb von Breitband-Infrastruktur sind regelmäßig mit § 107 GO NRW vereinbar. Im Einzelfall ist zu untersuchen, ob das konkrete Ausbau-Projekt in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Kommune oder der involvierten Kreise steht.
Strebt eine Kommune den Verkauf oder die Vermietung von eigener TK-Infrastruktur an, sind die kommunalrechtlichen Vorgaben über den Umgang mit kommunalen Vermögensgegenständen einschlägig:
90 GO NRW(1) Die Gemeinde soll Vermögensgegenstände nur erwerben, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist oder wird. (2) Die Vermögensgegenstände sind pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten. Bei Geldanlagen ist auf eine ausreichende Sicherheit zu achten; sie sollen einen angemessenen Ertrag erbringen. (3) Die Gemeinde darf Vermögensgegenstände, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben in absehbarer Zeit nicht braucht, veräußern. Vermögensgegenstände dürfen in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden. (4) Für die Überlassung der Nutzung eines Vermögensgegenstandes gilt Absatz 3 sinngemäß.(...) |
Die gesamte Netzinfrastruktur, bestehend aus Kabelkanälen, Leerrohren, Glasfasern etc., sind Vermögensgegenstände im Sinne von § 90 GO NRW. Verkauf und Vermietung sind zulässig, wenn sie zu marktüblichen Konditionen erfolgen.
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