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Glasfaserausbau zwingt Bauunternehmen in die Knie

Glasfaserausbau zwingt Bauunternehmen in die Knie

Samstag, 22.06.2024

Mehrere mit dem Glasfaserausbau beauftragte Bauunternehmer rutschen in die Insolvenz. Das Ausbautempo mag das nicht einmal senken. Das Problem wird stattdessen auf dem Rücken der Bauarbeiter ausgetragen.

Der Sturm am Glasfasermarkt ist im sächsischen Waldheim angekommen. Das auf Telekommunikationsnetze spezialisierte Bauunternehmen SchönerTel meldet Insolvenz an. Es hatte kräftig in Bagger, Kabelpflüge und Bohranlagen investiert, um die Digitalisierung in der Region voranzutreiben. Doch dann „verschoben die Kunden Projekte oder zogen sich gänzlich zurück“, so Geschäftsführer Andreas Schönberg. Jetzt sitzt er mit Anwälten, Sanierungsexperten, Gläubigern und Kunden in Sitzung nach Sitzung, um eine Sanierung zu stemmen und die 130 Arbeitsplätze zu sichern.

SchönerTel ist kein Einzelfall. Mit Soli Infratechnik und Connect Energy sind in den vergangenen Wochen bereits zwei größere Bauunternehmer, die sich auf Glasfaser spezialisieren, zahlungsunfähig geworden. Insider berichten von vielen Bauunternehmern im Glasfasergeschäft, denen das Wasser derzeit bis zum Hals steht.

Den Netzausbau werde das aber nicht bremsen, beschwichtigen die Netzbetreiber. Doch sind die Glasfaser-Netzbetreiber wirklich immun gegen die Verwerfungen in der Baubranche? Oder sind sie nicht vielmehr Teil des Problems?

Zumindest verhalten optimistisch sieht der Insolvenzverwalter der Soli Infratech aus Hannover inzwischen die Lage. Zwar musste das Unternehmen, das mit 700 Mitarbeitern in Deutschland Glasfaserleitungen verlegt, vor drei Wochen Insolvenz anmelden. Doch nach nur ein bis zwei Wochen Stillstand geht die Arbeit bei den wichtigsten Baustellen schon wieder weiter. Auch mehr als 20 mögliche Käufer sollen bereits Interesse angemeldet haben: „Eine übertragende Sanierung ist das Ziel“, sagt Insolvenzverwalter Silvio Höfer von Anchor Rechtsanwälte. Dabei kann ein Käufer den laufenden Geschäftsbetrieb samt der Mitarbeiter übernehmen.

Ähnliches gelang vor zwei Wochen bereits der Neusser Tiefbaufirma Connect Energy, kurz Con-e, die seit Gründung 2018 bereits 1500 Kilometer „Trasse“ verlegt und dabei 100.000 Haushalte passiert hatte. Ihren Betrieb und ihre Mitarbeiter übernahm der größere Konkurrent, die Databau aus Stuttgart, mit ihrer Tochter Databau Neuss. Der früherer CTO der Con-e, Frank Schulz, wurde zum Geschäftsführer bestellt.

Die beiden Insolvenzen betreffen die führenden Glasfaseranbieter – allein Soli hatte Verträge mit 15 Kunden. Die beteuern unisono, dass die Zahlungsunfähigkeiten ihr Ausbautempo auf mittlere Sicht nicht beeinträchtigen: „Wir prüfen derzeit mit allen Beteiligten, welche Projekte wir mit Soli fertigstellen und wo wir einen alternativen Baupartner beauftragen werden“, so ein Sprecher der Deutschen Glasfaser. Die Deutsche Telekom, die ebenfalls Kundin der Soli ist, gibt an: „Wir stehen zu unseren Zielen. Dabei hilft es, dass wir – wie überall im Konzern – mit vielen Unternehmen kooperieren und dadurch die Risiken minimieren.“ Unsere Grüne Glasfaser, ein Joint Venture von Telefónica und Allianz, hat Verträge mit Soli für den Ausbau in vier von 350 Gemeinden.

Mit der Con-e war die Deutsche Glasfaser ebenfalls im Geschäft, aber auch die Deutsche Giganetz hatte Verträge mit ihr. Sie bestätigt, dass nach einer kurzen Unterbrechung die Bauarbeiten zum Beispiel in Heilbronn schon weitergingen. „Insolvenzen einer begrenzten Anzahl von Generalunternehmen sind kein Problem für den Glasfaserausbau“, so die Pressestelle. „Wir fangen das auf, indem wir Aufträge anderweitig verteilen.

Mehrere Hundert Millionen Euro
Fakt ist: Das Geld für den Ausbau ist knapp. Insbesondere seit die Baukosten durch höhere Materialpreise um 30 Prozent und mehr gestiegen sind. Und so wird offenbar an anderer Stelle gespart: Kommunen beschweren sich immer wieder über mangelhafte Arbeiten und miserabel qualifizierte Arbeiter vor Ort, regelmäßig werden Berichte über menschenunwürdige Verhältnisse auf den Baustellen laut - und trotzdem kommen viele Baufirmen kaum über die Runden.

Oft werden Verträge über Ausbaumaßnahmen für zwei bis drei Jahre abgeschlossen, wie auch im Fall von Soli, erklärt Silvio Höfer: „Viele langfristige Verträge bestehen fort, obwohl die Kosten gestiegen sind.“ Gleichzeitig haben die Auftraggeber ihre Businesspläne angepasst – was die Generalunternehmer in Schwierigkeiten bringt. „Viele wollen jetzt nicht mehr, wie am Anfang des Ausbaus, Strecke machen, sondern gezielt Anschlüsse bei Endkunden aktivieren, um Einnahmen zu generieren.“ Für die Bauunternehmen heißt das erneut höhere Kosten: Zum einen brauchen sie für diese Arbeiten anders qualifizierte Mitarbeiter. Zum anderen wird die Arbeit auch kleinteiliger, weil nur dort gebaut wird, wo die Anschlüsse bestellt werden.

An der Kalkulation der Geldgeber aber ändert all das nichts. Internationale Investoren, die den Ausbau in Deutschland mit Milliardensummen finanzieren, versprechen sich unter dem Strich Renditen von acht bis zehn Prozent. Wer die nicht liefert, dem droht die Finanzierung zusammenzubrechen. Entsprechend groß ist der Druck in der gesamten Lieferkette. „Bei Ausschreibungen gewinnt derjenige, der den billigsten Preis verlangt“, erklärt ein Insider. „Um den Zuschlag zu gewinnen, werden immer wieder Preise aufgerufen, zu denen nicht profitabel gearbeitet werden kann.“ Obwohl die Generalunternehmer meist selbst hunderte Beschäftigte haben, vergeben sie ihre Aufträge an Subunternehmer weiter – die den Auftrag oft wiederum an einen Sub-Sub-Unternehmer vergeben, der sie an eine im Ausland ansässige Firma weiterreicht, die Arbeiter aus Ländern mit niedrigeren Lohnniveaus monateweise nach Deutschland bringen.

In dieser Kette schöpft jeder Teilnehmer einen Teil der Auftragssumme als Marge ab – bis für die Bezahlung der eigentlichen Arbeit noch weniger Geld übrig ist. „Am Material und an den Maschinen kann man nicht sparen“, sagt der Insider. „Es ist die Arbeitskraft, wo der Rotstift angesetzt wird.“ Das kann verheerende Folgen für die Arbeiter vor Ort haben. Durch die Konstruktion mit den Subunternehmern kreieren die ausbauenden Unternehmen genügend Distanz, um eine direkte Verantwortung für die Bedingungen vor Ort von sich zu weisen. Der Zoll ist offiziell für Kontrollen auf den Baustellen zuständig.

Nicht gezahlte Löhne
Die Deutsche Glasfaser kam im Zusammenhang mit unzumutbaren Arbeitsbedingungen auf ihren Baustellen in vergangener Zeit mehrmals in die Schlagzeilen. Die Fernsehmagazine Report Mainz und PlusMinus berichteten von Arbeitern in ihrer Lieferkette, denen mehrere Tausend Euro ihres versprochenen Lohns vorenthalten wurden. Auf den Baustellen mussten sie oft Zwölf-Stunden-Schichten leisten. In einem Fall im Saarland wurde ein Vorarbeiter tot in einer Wohnung aufgefunden, die er mit zwei Bauarbeitern teilte. Als Tatverdächtige wurden drei Arbeiter auf der Flucht in Frankreich verhaftet. Die Polizei ermittelt noch – ein ausgeuferter Streit um die Entlohnung steht als mögliches Motiv im Raum. „Wir verpflichten unsere 80 Baupartner, dass sie sich an alle Vorschriften und gesetzlichen Regelungen halten“, so die Deutsche Glasfaser, „Abweichungen hiervon sind für uns inakzeptabel“.

Die Deutsche Glasfaser hat eine anonyme Hotline eingerichtet, wo sich die Arbeiter selbst von Sub-Sub-Unternehmen beschweren können. Sie gibt an, Baustellen regelmäßig zu kontrollieren. Und dass, sie das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz einhält: „Das schließt auch Regelungen zur Zahlung des Mindestlohns an Mitarbeitende von Nachunternehmen sowie zu Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen ausdrücklich ein.“ Doch greift das neue Gesetz zu kurz: Es verpflichtet die Unternehmen nur zur Einhaltung der Regeln bei den unmittelbaren Lieferanten – von Auftragnehmern eingesetzte Sub-Unternehmer erfasst es nicht.

Eine Verordnung als Lösung
Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Frank Bsirske, hält Abhilfe für möglich: „Per Verordnung müssten auch Unternehmen, die Glasfaser verlegen und deren Subunternehmer verpflichtet werden, ihre Arbeiter bei der Sozialkasse Bau anmelden.“ Das Bundesarbeitsministerium sei der Ansicht, dass dazu Tarifverträge auch bei den Subunternehmen nötig wären. Gespräche zwischen Arbeitgebern und der IG Bau würden angestrebt: „Seriöse Tiefbauunternehmen haben ein Interesse daran, halbkriminelle und kriminelle Methoden zurückzudrängen und nicht den Markt mit Dumpingmethoden dominieren zu lassen.

Ausgerechnet die Insolvenz ändert das – zumindest kurzfristig: Ist der Generalunternehmer zahlungsunfähig, stellen die Subunternehmer die Arbeiten sofort ein. Wenn ein Glasfasernetzbetreiber möchte, dass Baustellen weiterlaufen, müssen Unternehmen wie Soli sicherstellen, dass Subunternehmer bezahlt werden können und auch eigene Mitarbeiter auf die Baustellen schicken: „Das geht, solange das nicht zu Verlusten für die Insolvenzmasse führt“, sagt Insolvenzverwalter Höfer. Das kann aber bedeuten, dass der Generalunternehmer in Nachverhandlungen mit seinen Kunden bessere Preise für diese Baustellen durchsetzt. Wenn das zuvor insolvente Unternehmen einen neuen Käufer hat, können die Arbeiten im laufenden Geschäftsbetrieb wie vor der Insolvenz fortgeführt werden.

Alle Glasfaser-Anbieter in Deutschland bedienen sich desselben Pools von Generalunternehmern, die wiederum auf dieselben Subunternehmer zugreifen. Die Deutsche Telekom allerdings geht jetzt zusätzlich einen neuen Weg: Sie gründete ihre eigene Tiefbau-Gesellschaft, die Deutsche Telekom Tiefbau GmbH – speziell für die kostenintensiveren Arbeiten rund um den Hausstich. Damit will sie die Abhängigkeit von externen Firmen senken und ihren Qualitätsanspruch sichern. Doch hört man aus Branchenkreisen, dass die Gewinnung von Bauarbeitern für diese Tochter recht schleppend verläuft. Die Telekom-Pressestelle dazu: „Wir freuen uns über die Bewerbung von motivierten und geeigneten Mitarbeitern.

Den Link zur Pressemitteilung finden Sie hier.

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