Die im November beschlossene Digitalministerkonferenz (DMK) hat sich am Freitag am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam zu ihrer konstituierenden Sitzung getroffen. Auf Antrag von Rheinland-Pfalz beschäftigte sich die Runde der einschlägigen Länderressortchefs, die Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) ergänzte, unter anderem mit "fairen und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen" beim Breitbandausbau, Künstlicher Intelligenz (KI) in der Arbeitswelt und der Fachkräftesicherung in der IT. Berlin und Brandenburg setzten als Gastgeber Datenvernetzung und nachhaltige IT mit auf die Tagesordnung.
Zu den ersten gefassten Beschlüssen gehört ein Papier zur "digitalen Teilhabe". Die Digitalministerin sind sich demnach einig, dass zumindest im Bereich der Wirtschaftsverwaltung die Umsetzung des Prinzips "Digital Only", also die Etablierung ausschließlich digitaler Verwaltungsverfahren, zeitnah erfolgen soll. Andere Lebensbereiche würden "unter Beachtung der spezifischen und berechtigten Interessen aller" folgen. Auch der Grundsatz "Digital First", wonach digitale Verwaltungsverfahren gegenüber analogen priorisiert werden, solle jenseits der öffentlichen Verwaltung zunehmend "in anderen Bereichen konsequent etabliert werden". Das sichere "den orts- und zeitsouveränen Zugang zu Angeboten aus allen Bereichen der Wirtschaft und der Daseinsvorsorge".
Forscher monieren, dass ein "Recht auf analog" mit diesen politischen Prioritätssetzungen schwinde. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz und das Rechtsstaatsprinzip verpflichteten den Staat dazu, auch digital abgehängten Bürgern effektive Verwaltungszugänge zu ermöglichen – etwa durch digitale Service-Terminals in Bürgerämtern. Die DMK bekräftigt daher auch die Notwendigkeit, trotz der laufenden Transformation "möglichst niemanden zurückzulassen". So müssen der Zugang zu Leistungen und die Nutzung von Verfahren "für alle digital niedrigschwellig" und barrierefrei erreichbar sein. Dazu kommen sollten etwa "Assistenzen für den digitalen Raum" und Angebote für technische Medienkompetenz.
Brandenburgs Digitalstaatssekretär Benjamin Grimm (SPD) versicherte, die Menschen sollten weiterhin aufs Amt gehen können. Andererseits werde man aber nicht analoge Prozesse fortsetzen, wo schon digitale existierten.
Digitalisierung soll energie- und ressourcensparsam sein
Die DMK macht sich ferner dafür stark, die Potenziale digitaler Technologien für eine wirksame und sparsame Ressourcennutzung etwa mithilfe von KI besser zu nutzen. Ein besonderes Augenmerk soll hier auf dem Einsatz von Daten in Smart Cities sowie in den Bereichen Wasser- und Energieversorgung sowie Verkehr und Mobilität liegen. Der öffentliche Sektor habe ein großes Potenzial, "digitale Endgeräte und Infrastrukturen energie- und ressourcensparsam zu gestalten und zu betreiben". Die Länder wollen daher ihre Anstrengungen intensivieren, "Green IT"-Ansätze und eine nachhaltige Digitalisierung in den öffentlichen Bereichen umzusetzen.
Die Fortentwicklung des gesetzlichen Rahmens müsse Betrieben "die notwendige Rechtssicherheit beim Einsatz von KI-Anwendungen bieten", lautet eine weitere Forderung. Gleichzeitig gelte es, "das hohe Arbeitsschutzniveau und die beteiligungsorientierte Umsetzung" beim Einsatz von KI im betrieblichen Umfeld sicherzustellen. Die KI-Verordnung müsse innovationsfreundlich implementiert werden, um Potenziale der Technik zu heben. Beim Gigabitausbau moniert die DMK: "Durch den Einsatz von Subunternehmen entstehen auf den Glasfaserinfrastrukturbaustellen unübersichtliche Firmenketten." Beschäftigte wüssten nicht, "gegen wen sie arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Ansprüche haben". Eine Selbstverpflichtung der Telekommunikationsbranche solle hier klare Regeln zum Einhalten der Standards treffen.
"Wir haben verstanden: Wir müssen die Digitalisierung als eines der wichtigen Themen unserer Zeit begreifen", betonte Wissing. Er freute sich daher, dass von der DMK das Signal einer "weiteren Beschleunigung der Digitalisierung unseres Landes" ausgehe. Ein wesentlicher Faktor dabei sei KI, die als "Gamechanger" alles verändere. Deutschland sei bei Patentanmeldungen in diesem Bereich die Nummer 2 auf der Welt nach den USA. Wer KI-Systeme entwickeln wolle, "soll es hier bei uns tun", unterstrich der Liberale. "Wir brauchen nicht nur kalifornische Antworten", sondern müssten die Entwicklung selbst in die Hand nehmen.
"Föderalismus ist eine Herausforderung", räumte der FDP-Politiker ein. Aber "wir wissen, wie wir unterschiedliche Interessen in Einklang bringen können". Beschleunigungsgesetze für den Netzausbau seien in der Mache. Wichtig sei es jetzt, dass die Länder die Reform des Onlinezugangsgesetzes (OZG) zur Digitalisierung der Verwaltung, nicht auf Dauer blockierten. Martina Klement, Chief Digital Officer Berlins, bezeichnete die DMK als überfällig. Es müsse gewährleistet werden, dass nicht jeder sein eigenes Süppchen koche, um endlich auf die Überholspur zu kommen.
Auf der DMK lastet enormer Erwartungsdruck
Die Erwartungen an das Treffen waren groß. Die DMK müsse sich "als Schnellboot der Digitalisierung in Deutschland verstehen", betonte Alexander Rabe, Geschäftsführer des eco-Verbands der Internetwirtschaft. Offene Fragestellungen mit Länderhoheit in den Bereichen digitale Bildung, digitale Verwaltung, digitale Identitäten, Breitbandausbau und Datenschutz müssten adressiert werden. Ein Flickenteppich unterschiedlicher Vorgaben etwa in den Verwaltungen mache es Verbrauchern und Unternehmen unnötig schwer und erzeuge Kosten ohne Nutzen, monierte auch Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Die DMK müsse die Digitalpolitik bundesweit harmonisieren.
"Ob bei Genehmigungsverfahren, Doppelausbau oder Gesetzesvorhaben: Die Bundesländer haben viele Hebel, um die Bedingungen für den Glasfaserausbau in ihren Kommunen zu verbessern", betonte Jan Simons vom Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko). Aus der guten Idee einer eigenen DMK dürfe daher keine Alibi-Veranstaltung werden. So müsse etwa im geplanten Gesetz zur Beschleunigung des Netzausbau das Ausrollen von Glasfaser und Mobilfunk als "im überragenden öffentlichen Interesse" definiert werden, um bei Genehmigungen mehr Tempo zu machen.
"Leider hat die Branche in den vergangenen Monaten zu oft erlebt, dass die Umsetzung vieler wichtiger digitalpolitischer Vorhaben ganz offenkundig an unseren föderalen Strukturen seine Grenzen findet", bemängelte Frederic Ufer von der Lobby VATM: Bundesweit einheitliche Genehmigungsverfahren und digitalisierte Prozesse in den kommunalen Verwaltungen seien "ein Must-have", wenn Deutschland international zu den Digitalisierungsmeistern aufsteigen wolle. Die DMK müsse beim Glasfaser-Überbau durch die Telekom gegenüber der Bundespolitik schnelle Gegenmaßnahmen wie eine Ausbauliste des Magenta-Konzerns einfordern.
Das Bündnis F5, dem AlgorithmWatch, die Gesellschaft für Freiheitsrechte, die Open Knowledge Foundation Deutschland, Reporter ohne Grenzen und Wikimedia Deutschland angehören, betonte die Notwendigkeit einer "gemeinwohlorientierten digitalen Transformation". Bei allen Entscheidungen in der Digitalpolitik müssten Stärkung der Menschenrechte im digitalen Raum, das Überwinden der Kleinstaaterei sowie die Mitwirkung der Zivilgesellschaft wegweisend sein. Nötig seien etwa mehr Transparenz und das Aus für Diskriminierung bei Algorithmen in Behörden, ein stärkerer Grundrechtsschutz in der Sicherheitsgesetzgebung sowie eine effektive Regulierung von Plattformen.
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