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Glasfaserausbau - Und täglich grüßt der Förder-Zoff

Glasfaserausbau - Und täglich grüßt der Förder-Zoff

Freitag, 03.11.2023

Mehr als sieben Milliarden Euro hätten die Kommunen gerne in diesem Jahr vom Bund für den Glasfaserausbau. Viel mehr als es das Budget von drei Milliarden Euro hergibt. Nun gibt es schon wieder Streit um die Gigabit-Förderung – denn die Vorstellungen von Ländern, Bund und Branche liegen weit auseinander. Doch ein Land könnte zum Vorbild werden.

Im April war es so weit: Nach dem Förderstopp im vergangenen Jahr konnten Kommunen wieder Anträge für den geförderten Gigabitausbau beim Bund stellen. Hart war um die Gigabit-Richtlinie 2.0 gerungen worden – zu unterschiedlich waren die Vorstellungen von Bund, Branche, Ländern und Kommunen. Die Antragsflut im vergangenen Herbst hatte eine erneute Überarbeitung des ersten Entwurfs des Digitalministeriums (BMDV) nötig gemacht. Man war optimistisch, dass es mit dem Scoring-System, das priorisiert, welche Gebiete einen Ausbau besonders nötig haben, klappt.

Doch der Optimismus war verfrüht. Bis zum 17. Oktober hatten Kommunen insgesamt Anträge von einem Fördervolumen von mehr als sieben Milliarden Euro beim Bund eingereicht – im Budget vorgesehen sind allerdings nur rund drei Milliarden Euro. Mit großem Abstand vorne sind Baden-Württemberg (Anträge für mehr als 1,9 Milliarden Euro) und Bayern (Antragsvolumen von mehr als 1,6 Milliarden Euro). Auch wenn es, wie das BMDV mehrmals bekräftig hat, keinen Förderstopp geben wird – die Frage, was jetzt zu tun ist, stellt sich erneut. Und auch der Streit keimt wieder auf – denn die Vorstellungen gehen weiterhin auseinander: Die Länder wollen mehr Geld, das der Bund weder hat noch zu geben bereit ist, die TK-Branche fühlt sich durch den erneuten Förderansturm bestätigt und fordert eine neue Richtlinie.

Anträge für rund 2,5 Milliarden Euro in zwei Wochen

Besonders in den vergangenen Wochen haben Kommunen den Bund mit Förderanträgen regelrecht geflutet. Hatten die Anträge Anfang Oktober noch ein Volumen von 4,5 Milliarden Euro (Tagesspiegel Background berichtete), stand man vergangene Woche bei mehr als 7 Milliarden Euro. Die Zahl der eingehenden Anträge habe sich sehr dynamisch entwickelt, heißt es dazu vom BMDV auf Anfrage. Die Summe der beantragten Fördermittel überschreite die zur Verfügung stehenden Mittel deutlich.

Eine Erklärung für die zahlreichen Anträge, die in so kurzer Zeit eingegangen sind, dürften die Fristen sein, die das BMDV festgelegt hat. So konnten Anträge für den aktuellen Förderaufruf bis zum 15. Oktober gestellt werden, für das sogenannte „Fast-Lane“-Verfahren bis zum 31. Oktober. Nachdem ein Förderantrag für Kommunen komplex ist, werden viele den maximalen Zeitraum ausgeschöpft haben. Unklar ist, auf welches Gesamtvolumen die Anträge schließlich kommen – das BMDV betont, noch sei man am sichten und auswerten und könne keine endgültige Summe nennen.

Fraglich ist, ob die Branchendialoge, die im kommenden Jahr vor dem mit dem Förderantrag verbundenen Markterkundungsverfahren, bei dem sondiert werden soll, ob für ein Gebiet in absehbarer Zeit ein privatwirtschaftlicher Ausbau ansteht, verpflichtend werden, eine Rolle gespielt haben. Diesen wollen vielen Kommunen, wie zu hören ist, aufgrund des Aufwands offenbar aus dem Weg gehen. Außerdem können seit diesem Jahr nicht nur Kommunen, in denen die Internetversorgung schlechter als 100 Megabit pro Sekunde ist, einen Förderantrag stellen, sondern alle Kommunen, in denen es noch keine gigabitfähige Infrastruktur gibt. Und schließlich kann der Druck, den einzelne Länder mit einer Antragsflut auf den Bund ausüben können, auch eine Rolle gespielt haben.

Fördervolumen ist „unterdimensioniert“

Druck ausüben will auf jeden Fall Bayern. „Das Volumen der Bundesförderung ist mit der Länderobergrenze von nur 450 Millionen Euro für Bayern deutlich unterdimensioniert!“, sagt der bayerische Finanzminister Albert Füracker (CSU). Voraussichtlich würden zwei Drittel der bayerischen Kommunen in diesem Jahr wegen der zu niedrigen Länderobergrenze leer ausgehen. „Der Bund muss seine Förderprogramme endlich umfassender aufsetzen“, sagt Füracker.

Baden-Württemberg ist ebenfalls eines der Länder, die am lautesten schreien. Kein Wunder, in keinem anderen Bundesland wurde ein so hohes Fördervolumen beantragt. Baden-Württembergische Kommunen forderten daher schon vor einigen Wochen eine „deutliche Erhöhung des Fördervolumens“.

Der flächendeckende Ausbau gestalte sich in einem Land wie Baden-Württemberg mit seinen „zahlreichen schwer erschließbaren Einzellagen und Aussiedlerhöfen, vielerorts geprägt durch schwierige Topographie, zerklüftete Siedlungsstruktur und eine schwer grabbare geologischen Oberfläche oftmals ungleich schwieriger als in anderen Regionen“, heißt es vom zuständigen Innenministerium des Landes auf Anfrage. Die Kosten pro Anschluss seien daher dort „um ein Vielfaches höher“ als woanders.

Vielen Ländern geht das Geld aus

Doch nicht alle Länder rufen nach mehr Geld vom Bund. So hat zum Beispiel das Land Niedersachsen im Juli die Kofinanzierung der Glasfaserförderung eingestellt. Denn der Bund bezuschusst die Kommunen mit 50 Prozent. 40 Prozent zahlen die meisten Länder, die dafür eigenen Richtlinien aufgesetzt haben, dazu, den Rest muss die Kommune berappen. Für Niedersachsen wurden die rund 120 Millionen an Zuschüssen, die 2022 noch an die Kommunen flossen, im kommenden Jahr zu viel, die Zuschüsse laufen aus. Der Haushalt sei eng, hieß es damals vom zuständigen Wirtschaftsministerium.

Auch anderen Ländern wird die Bereitschaft, sich für Gigabit-Geschwindigkeiten ihrer Kommunen weiter zu verschulden, immer kleiner. So strich Nordrhein-Westfalen die Kofinanzierung jüngst auf 30 Prozent zusammen. Die Kommunen müssen dort nun also in der Regel 20 Prozent der Ausbaukosten tragen.

Nicht nur die Länder sind unter Druck, auch die ausbauenden Unternehmen sind unzufrieden mit der Situation. „Wir haben schon wieder ein völlig übertriebenes Antragsvolumen“, sagt Frederic Ufer, Geschäftsführer beim Verband für Telekommunikation und Mehrwertdienste (VATM). „Die Unternehmen sind mit der Anzahl der Markterkundungsverfahren überlastet – sie müssen enorme Ressourcen in die Verfahren stecken.“

Die Unternehmen haben zwar keine Verpflichtung, auf Markterkundungsverfahren der Kommunen zu reagieren – doch das müssten sie, wenn sie den geförderten Ausbau verhindern wollen. Und das wollen sie. Der Markt vertrage maximal 1 Milliarde Euro Bundesförderung pro Jahr, sagt Ufer. Alles darüber hinaus schädige den Glasfaserausbau durch „aufgeheizte Tiefbaupreise“ und „zu viel Förder-Bürokratie“.

Braucht es eine neue Richtlinie?

Doch was nun? Ufer plädiert dafür, die Richtlinie zu überarbeiten, so, dass sie „wirklich passt und die effektive Verzahnung mit dem eigenwirtschaftlichen Ausbau gewährleistet ist“. Dafür brauche es eine Super Fast Lane. Außerdem sei ein Fördermoratorium für die grauen Flecken denkbar. Obendrein brauche es, sagt Ufer, eine Vorpriorisierung und nicht erst das Scoring, wenn die Anträge schon eingegangen sind. So würden die Unternehmen weit weniger Markterkundungsverfahren zu bearbeiten haben. Die Staffelung vor den Anträgen könnte mit einer aktualisierten Potenzialanalyse durchgeführt werden, die dann aber verbindlich sein sollte. Außerdem brauche es „zwingende Landesobergrenzen, die nicht einfach beliebig überschritten werden können, oder die Anrechnung der eigenwirtschaftlichen Ausbaumeldungen im Rahmen der Markterkundungsverfahren auf das jeweilige Förderbudget.“

Für Ufer ist auf jeden Fall klar, wer jetzt handeln muss: „Die Baustellen liegen jetzt klar in der Verantwortung des Ministers.“ Volker Wissing (FDP) könne und müsse jetzt „auf die Länder einwirken, um ein für alle Seiten sinnvolles Förderverfahren aufzusetzen. Das Glasfaserziel 2030 ist ansonsten durch Eigenverschulden der Bundesregierung akut gefährdet.

Die Länder wünschen sich neben mehr Geld auch noch etwas anderes für eine überarbeitete Förderrichtlinie. Für die Kommunen, die in diesem Jahr trotz Förderantrag keine Förderung bekommen, brauche es „zumindest eine unbürokratische Übernahme in den nächsten Förderaufruf“, sagt Füracker. Da seien sich alle Länder einig. Doch nicht nur sollen die Anträge übernommen werden – man wünscht sich auch Bonuspunkte für die Kommunen, deren Anträge abgelehnt worden sind.

Wird das Saarland zum Vorbild?

Ein Vorbild für ein funktionierendes System könnte dabei aus einem Land kommen. Denn anders als die anderen Bundesländer hat man die Förderung im Saarland gehandhabt. Dort wurde bis zu diesem Jahr komplett auf öffentliche Fördermittel verzichtet. Nun gibt es im kleinsten Flächenland ein stufenweises Vorgehensmodell, „um Eigenausbau und Förderung bestmöglich zu verzahnen“, wie es auf Anfrage heißt. Der Netzausbau im Saarland könne weder im Eigenausbau noch im Rahmen von Förderprojekten überall gleichzeitig erfolgen, daher sei man zu dem Modell gekommen. Außerdem solle eine sinnvolle Priorisierung der Förderprojekte eine Verknappung der Planungs-, Tiefbau- und Materialressourcen möglichst verhindern.

Zunächst sollten Kommunen mit sogenannten „Fokus-Ortsteilen“, also Orts- und Stadtteile, die derzeit noch nicht mit Gigabit versorgt sind und in denen der Markt auch keinen Netzausbau angekündigt hat, gefördert werden. Mit einer begründeten Ausnahme hätten alle diese Kommunen einen Förderantrag beim Bund gestellt. Nun habe man weitere Weichen gestellt, und für besonders effiziente Förderprojekte einen finanziellen Bonus – eine Teilübernahme des zehn-prozentigen kommunalen Eigenanteils – in Aussicht gestellt.

Derzeit sieht man im BMDV allerdings offenbar noch nicht die Notwendigkeit, die Richtlinie jetzt schon zu überarbeiten. „Das Fördersystem der Gigabitrichtlinie 2.0 greift vollständig und lenkt die Förderung in die förderbedürftigen Gebiete im jeweiligen Bundesland.“ Allerdings werde man den Aufruf in den kommenden Wochen evaluieren und die Ergebnisse mit den Ländern und der Branche diskutieren. „Erst im Anschluss daran stehen mögliche Anpassungen, auch in Hinblick auf künftige Anträge und die Potenzialanalyse, für den nächsten Förderraufruf fest.“

Den Link zur Pressemitteilung finden Sie hier.

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