"There is no free lunch", heißt ein alter Merkspruch der Branche und so wird man schnell hellhörig, wie denn ein "kostenloser" Glasfaser-Anschluss möglich sein soll. Wo liegt oder ist der Haken? „Wir schenken Dir das Internet zum Tarif von null Euro“, so das vollmundige Versprechen in einem Werbevideo auf der Homepage, auf sozialen Medien in bestimmten klassischen TV-Programmen und auf Plakatwerbung, z.B. auf Bahnhöfen, wie in Frankfurt/Main.
Reguläre Preise von 40 bis 80 Euro - pro Monat
Allen Versprechungen zum Trotz: Nicht überall in Deutschland gibt es Glasfaser wirklich bis ins Haus und wenn, dann kostet das Geld. Das günstigste Angebot von 1&1 könnte für 40 Euro pro Monat ins Haus kommen, bei der Deutschen Telekom können es 55 aber auch 80 Euro sein - je nach gebuchter Geschwindigkeit - auch Preise von 120 Euro für Privatkunden wurden schon gesehen. Und bei Geschäftskunden kann es richtig teuer werden.
Der mögliche Weg zum vielleicht kostenlosen Glasfaser-Internet
Zurück zu Giga Fiber: Man soll sich eine Smartphone-App (für Android oder Apple) herunterladen und dort Namen und Wohnort angeben. Nun kann die Geschichte schon zu Ende sein, weil ein Glasfaser-Ausbau vor Ort auf lange Zeit nicht absehbar ist. Vielleicht wohnt der Antragssteller viel zu abseits, vielleicht sind auch die Bauunternehmen hoffnungslos im Rückstand. Werfen wir also einen vorsichtigen Blick in die allgemeinen Geschäftsbedingungen von Giga Fiber und da steht ganz klar in Punkt 3.2.b:
„Im Gegenzug sicherst Du dir mit der Abwicklung Deiner Zahlungen (z.B. Miete, Nebenkosten, Darlehen) über den von GIGA FIBER zur Verfügung gestellten Zahlungsdienstleister die Nutzung des Glasfaser Internets für Null (0) Euro."
Das bedeutet: Alle Überweisungen für Miete, Nebenkosten, Kredite und so weiter sollen über eine namentlich noch nicht genannten Zahlungsdienstleister laufen.
Finanzieller Striptease notwendig?
Dieser Zahlungs-Dienstleister bekommt somit einen tiefen Einblick in das finanzielle Privatleben des Kunden und kann daraus seine Geschäftsmodelle finanzieren, beispielsweise könnte der Glasfaser-Kunde regelmäßig mit Werbung für teure und für den Anbieter lukrative Produkte und Dienstleistungen beglückt werden.
Verbraucherschützer skeptisch
Die Tageszeitung Welt hat mit Felix Flosbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gesprochen. Und dieser rät zur Vorsicht: „Die konkreten Bedingungen werden aus meiner Sicht nicht eindeutig dargestellt, scheinbar möchte der Anbieter umfangreiche Daten über Zahlungsflüsse sammeln.“
Giga Fiber lobt neue Finanzierung
Giga Fiber sieht das laut Welt anders. Das Unternehmen erkenne in dieser Form der Refinanzierung eine Möglichkeit, das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel einer flächendeckenden Glasfaserversorgung bis 2030 zu erfüllen. „Highspeed-Internet gehört zur Grundversorgung überall und für alle“, wird der bereits erwähnte Jörg Müller, Geschäftsführer von Giga Fiber, zitiert. „Mit unserem kostenlosen Angebot wollen wir die Digitalisierung in Deutschland wesentlich vorantreiben, und zwar so einfach und effizient wie möglich.“ Theoretisch könnte Giga Fiber mit einer großen Zahl von "Kunden" mehr Schwung in den Ausbau bringen, weil die Netzbetreiber dann "sehen", dass Interesse besteht. Aber ob das praktisch funktionieren wird?
Potenzielle Kunden haben wenig Interesse an Glasfaser
In der Tat stehen die Unternehmen, die wirklich ausbauen, vor einem großen Dilemma: Es soll ausgebaut werden oder es wird schon gebaut, aber die in Frage kommenden Kunden winken entweder ganz oder teilweise ab. Einen kostenlosen Glasfaseranschluss ins Haus würden viele sich legen lassen. Aber das volle Programm für 80 Euro im Monat (oder sogar noch höher) ist den meisten Kunden schlicht zu teuer. Dazu schrecken viele Kunden vor umfangreichen Bauarbeiten auf dem Grundstück oder im Haus ("Der ganze Dreck und die Umstände") bei der Verlegung der Glasfaser zurück.
Homes passed - aber wo ist die Faser?
Oft liegt die Glasfaser schon in der Straße ("Homes passed"), die einzelnen Häuser sind aber nicht angeschlossen und werden es auch auf Anfrage nicht, weil Buchungssysteme nicht funktionieren oder beim Wunsch-Anbieter ein gewisses Organisations-Chaos herrscht. Auch bei der marktbeherrschenden Telekom übrigens, wie einige der Redaktion vorliegende Fälle belegen.
Vorvermarktungsquote: 30-40 Prozent
Gerade kleiner Anbieter machen eine Vorvermarktungsquote von 30 oder 40 Prozent zur Bedingung, bevor sie mit dem Ausbau anfangen. Das heißt, es müssen genügend Kunden unterschrieben haben, bevor die Bagger anrollen. Um die potenziellen Kunden zu motivieren, werden Verkaufsteams durch die Straßen geschickt, die dann aber viele Fragen nicht klar beantworten können - sei es aus fehlender Sachkenntnis oder aus dem Druck heraus, möglichst viele Unterschriften in möglichst kurzer Zeit zu bekommen, um damit ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können.
Weniger nutzbare Glasfaseranschlüsse als gedacht
Das bedeutet offenbar, dass in Deutschland mehr als 17 Millionen Haushalte per Glasfaser "erreichbar" wären, aber nur knapp neun Millionen davon einen echten Glasfaser-Anschlusspunkt im Haus haben. Und davon sind nur 4,4 Millionen aktiv geschaltet, sagt der Bundesverband Breitbandkommunikaton (Breko).
Markttreiber kostenloses Internet?
Zurück zu Giga Fiber: Gäbe es einen Null-Euro-Internet-Zugang und würden auch technisch unerfahrene - also bislang kaum erschlossene Kundengruppen - hier mitmachen, könnte die Anschlussquote steigen. Doch ist das realistisch? Dort, wo es bereits Glasfaser im Haus gibt, will Giga Fiber die ersten Kunden bald aktivieren. Geboten werden sollen 250 MBit/s. Wer es schneller haben möchte, kann das gegen Aufpreis dazu buchen. Der konkrete Preis soll „zusammen mit den Partnerunternehmen aus der TK-Branche kalkuliert werden“, so die Auskunft. Werden die Kunden dann zu "mehr" überredet, um auf diese Weise die Geschichte doch noch zu refinanzieren?
Wer steckt hinter Giga Fiber?
Mit wem Giga Fiber zusammen arbeiten wird, hat auch die "Welt" nicht herausgefunden: „Giga Fiber ist offen für Kooperationen mit allen Telekommunikationsunternehmen, um den Ausbau insgesamt zu beschleunigen und Doppelausbau zu vermeiden.“
Das Unternehmen Giga Fiber ist Mitglied in den Branchenverbänden BREKO und VATM, trat aber bislang noch nicht auffallend in Erscheinung. Somit ist auch unklar, wer das Vorhaben finanziert: „Die Investoren möchten aus Diskretionsgründen nicht im Vordergrund stehen“, so ein Sprecher des Unternehmens gegenüber der Welt, die aber schon herausgefunden hat, dass einer der Investoren und Gründer des Unternehmens Lars Diebold aus Frankfurt/Main ist.
Große Hoffnungen setzt Giga Fiber laut Welt auf das Glasfasernetz der Deutschen Bahn (db broadband). Doch dort gibt es keine Verträge mit Giga Fiber. Zu klären wäre zudem auch, wer die letzten Meter von den Bahnstrecken hin zu den Kunden verlegen soll und wer das vorfinanziert.
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